Wir haben Gottes Spuren festgestellt
Unter den neuen Wochenliedern im August begegnet uns ein alter Bekannter: auf Kirchentagen, in Liedersammlungen, bei Gemeindefesten, über YouTube-Kanäle hat das Lied längst Eingang gefunden in den Liederfundus vieler Gemeinden. Und nun wird es auch in der nächsten Ausgabe des Evangelischen Gesangbuches stehen: Wir haben Gottes Spuren festgestellt ...
Auf viele Wundergeschichten unserer Bibel greift dieses Lied zurück:
- Der Bettler vor der Schönen Pforte des Tempels
- und der Gelähmte, den Jesus von seinem Bett aufrichtet,
- der Taubstumme, dem Jesus Gehör und Sprache wieder gibt
- und die in Ägypten versklavten Israeliten bei ihrem Zug durchs Rote Meer
tauchen vor uns auf. Zeichen und Wunder aus alter Zeit und doch Quelle für lebendige Hoffnung heute! „Schau auf solche Zeichen und Wunder und deute sie als Gottes Spuren in Deinem Leben“ – so lädt uns dieses Lied ein.
Gott auf die Spur kommen, indem du dich auf deinen Lebenswegen Gott anvertraust, Gott als Weggefährten in deinem Leben zulässt, dich von Gott tragen lässt, wo dein Schritt unsicher wird.
Es liegt wohl auch an dem Versprechen in den letzten Zeilen des Refrains, dass dieses Lied so bekannt und beliebt geworden ist:
Gott wird auch unsre Wege gehn,
uns durch das Leben tragen.
Dieses Versprechen ist erst durch die deutsche Übersetzung (Diethard Ziels, 1981) in das Lied hineingekommen. Der ursprünglich französische Text von Michel Scouarnec betont eher, dass wir schon selber durchs Leben gehen müssen, uns aber darauf verlassen können, dass Gott uns hilft, die nötige Feinfühligkeit in den Härten des Lebens zu bewahren: „Gott kommt, um unsere Wege mit zu gehn, Herzen aus Stein zu verwandeln.“ Du musst nicht hart werden, dir kein dickes Fell zulegen – du kannst empfindsam, emphatisch bleiben.
Die Melodie von Jo Akepsimas (einem griechischen, in Frankreich lebenden Komponisten), prägt sich leicht ein – das ist eines der Lieder die eine Gemeinde ohne vorher üben zu müssen gut mitsingen kann. In d-Moll beginnt die Strophe, aber es liegt nichts Trauriges in diesem Moll – im Gegenteil: eine aufsteigende Dreiklangsmelodik lädt ein den Blick zu erheben, so als hätte man eben noch auf die Seiten einer Bibel geschaut und blickt nun auf die Spuren Gottes im eigenen alltäglichen Leben. Mit dem Refrain geht die Melodie dann in ein helles Dur über: Ja, tatsächlich, da sehe ich Spuren Gottes aus den Geschichten der Bibel bis in mein Leben hinein! Eine abwärts führende Melodie am Ende des Refrains schließt den Bogen wieder zu dem ursprünglichen Moll: Es ist gut, mit der jeweils nächsten Strophe noch einmal in die Bibel zu schauen und dort nach weiteren Zeichen und Wundern zu suchen, die mir für mein Leben Hoffnung geben.
Musikalisch folgt das Lied Vorbildern aus der jiddischen Folklore: es erinnert an Klezmer, an jüdische Volkslieder und an die Nationalhymne Israels „Ha Tikwa“ („Die Hoffnung“). In der Mitte des Liedes wird an die Grunderfahrung erinnert, die Israel mit Gott gemacht hat: „Sklaven, die durch das Wasser gehn, das die Herren überflutet.“ Wie gut, dass die Melodie immer wieder den Bogen zurück zum Moll findet und nicht in einen Jubelton übergeht! Im Talmud wird erzählt, wie die Engel gespannt verfolgen, wie das Volk Israel durch das Rote Meer hindurchzieht, das rettende Ufer erreicht und das Wasser über den Truppen des Pharao zusammenschlägt. Doch als die Engel gerade einen Jubel darüber anstimmen wollen, sagt Gott: „Geschöpfe meiner Hand ertrinken im Meer, und ihr wollt jubeln?!“ Nein, du musst über militärische Erfolgsmeldungen nicht in Freude verfallen, du musst Aggressoren nicht den Untergang wünschen, du musst nicht hart werden – du kannst empfindsam, emphatisch bleiben. Auch das sagt die Melodie, indem sie zum urspünglichen Moll zurückkehrt.
P.S. Der Text des Liedes ist urheberrechtlich geschützt, so dass wir ihn hier leider nicht abdrucken können. Einfach beim nächsten Mal in der Kirche eines der blauen Heftchen nehmen und die Nr. 20 aufschlagen.
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