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Neuigkeiten

Das Scherflein der Witwe

I Es geht immer um Sicherheit und Schutz

Hast du schon mal den Life-Check gemacht? Frei übersetzt: die Überprüfung deines Lebens? Da kommt also ein junger Versicherungsvertreter zu dir nach hause. Also in einem normalen Jahr. Im Moment kommt er per Zoom auf deinen Bildschirm. Er ist sehr freundlich. Er ist so alt wie ich, wir scherzen und witzeln – man merkt, die Chemie stimmt. Dann gibt er seinen Bildschirm mit der Präsentation frei und seine Stimme wird ernst und bedeutungsschwanger: „Ich bin ja heute hier um mit Ihnen ein wenig auf ihre Lebenssituation und in die Zukunft zu blicken.“ Das Bild wechselt und da ist sie auch schon: Die Pyramide meines Lebens – zumindest aus der Sicht der Versicherung. Ganz unten – quasi als Fundament – steht:

Existenz absichern – also Krankenversicherung – Unfallversicherung

Dann privat vorsorgen

Dann besitz und Eigentum erhalten

Dann kaufen/wohnen/bauen

Dann – ganz oben an der Spitze: sparen

„Das soll das Leben sein?“ frage ich ungläubig. „Nein, natürlich nicht. Aber um die Freiheit und das Leben richtig genießen zu können, brauchen Sie ja möglichst viel Sicherheit.“

Das Gefühl von Schutz und Sicherheit ist für uns Menschen vielleicht das stärkste Bedürfnis. In der Steinzeit krochen die Menschen irgendwann in Höhlen, weil diese Schutz boten. Heutzutage laufe ich abends noch einmal extra zur Haustür um zu prüfen ob sie auch wirklich abgeschlossen ist. Heute wie damals geht es um das Gefühl von Sicherheit. Darum ruhig schlafen zu können. Und weil dieses Gefühl so elementar ist, wird damit heute auch Geld verdient und Politik gemacht.

Denkt nur an die vielen sogenannten Sicherheitsfirmen, die Kameras, Bewegungsmelder, automatische Rollläden und Lampen verkaufen. Oder denkt an bestimmte Parteien in unserem Land, die durch das geschickte Verbreiten von Falschmeldungen Angst verbreiten, die Sicherheit anzweifeln und damit Wähler gewinnen. Das Geschäft mit der Sicherheit ist auch immer das Geschäft mit der Angst.

Angst vor dem Fremden.

Angst vor Krankheit und Tod.

Angst vor Armut.

 

Unser Bedürfnis nach Sicherheit und Schutz ist für uns gleichzeitig Antrieb und Hindernis. Wegen dieses Bedürfnisses wurden Menschen wahrscheinlich überhaupt erst sesshaft und begannen Häuser zu bauen. Aber die Angst und das Bedürfnis nach Sicherheit knechtet uns auch. Überversichert, privat vorgesorgt und nur mit entsprechender Schutzausrüstung gehen wir vor die Tür.

II Das Leben der Witwe als ein Leben an der Grenze

So ganz anders muss da das Leben der Witwe gewesen sein, die Jesus beim Einlegen ihres Scherfleins beobachtet. 

Versicherung - hatte sie keine. 

Vorsorge – war ihr kaum möglich, wenn sie überhaupt genug für jeden Tag hatte. 

Und von Vermögen, konnte sie wohl nur träumen. 

Ein leben in den Tag hinein. In die Angst und die Sorge, ob es heute wohl reichen würde für sich und ihr Kind. 

Witwen waren in der Zeit Jesu quasi schutzlos. Einkommen hatten sie meist keines, Unterhalt stand ihnen nicht zu und Kinder mussten sie ja auch noch mitversorgen. In aller Regel blieb so einer Witwe, wie sie in der Geschichte beschrieben wird, nur betteln um irgendwie über die Runden zu kommen. Das ist ein Leben an der Grenze. Grenzwertig. Sicherheit gibt es da keine. Zumindest keine materielle. Und doch gibt diese Witwe ihr Scherflein ab.

Eigentlich möchte man sie doch von diesem Spendenkasten wegziehen und sie fragen, was sie da eigenlich macht. Warum sie das Geld nicht lieber für etwas zu essen für sich und die Kinder benutzt. Oder es aufspart für einen schlechten Tag, wo ihr Betteln vielleicht erfolglos bleibt.

„Mach es nicht!“ will man ihr sagen, „deine paar Groschen machen doch in dem Kasten eh keinen Unterschied.“ Da kommt als nächstes ein Reicher, der da gleich richtig einwirft. „Lass das bisschen ruhig stecken, du brauchst es nötiger.“ Aber sie tut es trotzdem. Sie wirft das bisschen, was sie hat ein. Auch weil es gar nicht darauf ankommt, das meiste zu geben, sondern seinen Beitrag zu leisten. Sein „Scherflein“ beizutragen. 

Aber das ist noch lange nicht alles, was in dieser Geschichte steckt. Sonst wäre sie wohl nur eine kleine Werbung für mehr Kollekte nach dem Gottesdienst. 

III Vertrauen auf Gott als Hilfe beim Loslassen, freimachen

Nein, hier geht es auch um die Haltung der Witwe. Sie gibt alles was sie hat. Sie gibt den sprichwörtlichen Spatz in der Hand für die Taube... das Symbol des heiligen Geistes. 

Die Witwe zeigt, was Nachfolge Jesu bedeutet. Es bedeutet nicht sich zu 75% zu verpflichten. Es bedeutet nicht, sich eine Restsicherheit aufzusparen, für den Fall der Fälle. Nachfolge Jesu heißt tatsächlich: ganz oder gar nicht. Die Witwe zieht es vor, statt der kleinen Sicherheit des gesammelten Geldes in ihrer Hand, lieber auf die große Gewissheit der Liebe Gottes zu vertrauen. 

Ob sie uns damit als Vorbild dienen kann? 

Ich weiß es nicht. So schwer, zu schwer erscheint mir das. Ich bin wirklich nicht der Sparer vor dem Herrn. Aber so ganz ohne Sicherheiten? 

Da ist sie wieder, die Frage nach den Sicherheiten. Aber gerade beim Geld ist sie vielleicht auch eine Frage der Abhängigkeiten. 

Es ist statistisch erwiesen, dass Menschen, die weniger haben, leichter davon abgeben können. Möglicherweise fiel es der Witwe darum so leicht. Wer immer schon wenig hatte, der kann sich von dem bisschen auch leichter frei machen. 

Frei machen. Das gab mir zu denken, an der Geschichte vom Scherflein der Witwe. Wie abhängig bin ich eigentlich von der Sicherheit des Geldes. Wie schwer fällt es mir, mich von dem Geld zu trennen. 

Zu spenden. 

Gerne zu geben.

So wie die Witwe, einfach mal alles geben was man hat. 

Es klingt so einfach und ist doch so schwer. Einmal will ich mich freimachen von der Macht des Geldes. Will loslassen können. Will gerne geben.

Aber mein Glaube. Ja mein Vertrauen auf Gott ist oft nicht stark genug. Daran erinnert mich die Witwe mit ihrem Scherflein. Sie erinnert mich daran, dass Jesus seinen Jüngern davon erzählt, dass sie sich um nichts sorgen müssen, sondern dass Gott für sie sorgt. 

Gott ist meine größte Sicherheit.

Er ist die einzige Sicherheit, die ich wirklich brauche. Alles andere ist verzichtbar. Das muss ich mir immer mal wieder vor Augen halten lassen. 

 

 

IV Life Check

Zurück im „Life Check“ in der Überprüfung meines Lebens. 

Da ist sie wieder diese Pyramide. Nur jetzt vielleicht ganz anders: Ihre Basis ist nun: Vertrau auf Gott er meint es gut mit dir

Das hat – bei genauerer Betrachtung -  immer noch mit Existenz absichern zu tun. Aber ist doch ganz anders. 

Die Basis unseres Lebens ist der feste Glaube an Gott, den Vater unseres Herrn, der sich für uns gegeben hat um für uns da zu sein, im Guten wie auch in dunklen Stunden. Darauf können wir unser Leben aufbauen. Nicht auf Geld und nicht auf Versicherungen. Auch nicht auf Menschen sondern allein auf Gott können wir bauen. Dann können wir uns freimachen von den Abhängigkeiten in die wir uns selbst begeben haben und unser Scherflein fröhlich geben.

Amen

Gehalten am 7.3.2021 von Pfarrer Martin Olejnicki

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