Predigt zu Josua 2, 1-21 vom 17. Sonntag nach Trinitatis in St. Jakob zu Köthen
Manchmal erzählt die Bibel Geschichten, die ganz an den Rändern spielen.
Nicht im Heiligtum, nicht in Jerusalem, nicht im Zelt der Begegnung – sondern an der Stadtmauer.
Dort, wo Grenzen verlaufen.
Dort, wo Menschen leben, die nicht so richtig dazugehören.
Und genau dort geschieht Glaube.
Rahab wohnt auf der Mauer von Jericho – zwischen innen und außen.
Sie ist eine Frau mit zweifelhaftem Ruf, keine Israelitin, keine Fromme.
Und doch – sie glaubt.
Sie erkennt, dass der Gott Israels größer ist als alle Grenzen, größer als Herkunft und Religion, größer als das, was Menschen voneinander trennt.
Sie vertraut diesem Gott, noch bevor die Kundschafter sicher sind, ob sie ihr trauen können.
Sie spricht das erste Glaubensbekenntnis des Buches Josua – aus dem Mund einer Fremden.
Vielleicht liegt gerade darin das Geheimnis des Glaubens:
Gott ist schon da, wo wir ihn noch nicht vermuten.
Sein Geist wirkt jenseits unserer Mauern, in Häusern, die wir vielleicht nicht betreten würden.
Rahab erinnert uns daran, dass der Glaube keine Grenzen kennt – keine ethnischen, keine moralischen, keine religiösen.
Wer vertraut, gehört dazu.
So wird eine Frau aus Jericho zur Schwester im Glauben – und zur Ahnin des Messias. Und an den Rändern der Weltgeschichte wächst ein Glaube, der das Zentrum verändern wird.
Lesung Josua 2, 1-21
Josua aber, der Sohn Nuns, sandte von Schittim zwei Männer heimlich als Kundschafter aus und sagte ihnen: Geht hin, seht das Land an, auch Jericho. Die gingen hin und kamen in das Haus einer Hure, die hieß Rahab, und kehrten dort ein. Da wurde dem König von Jericho angesagt: Siehe, es sind in dieser Nacht Männer von den Israeliten hereingekommen, um das Land zu erkunden. Da sandte der König von Jericho zu Rahab und ließ ihr sagen: Gib die Männer heraus, die zu dir in dein Haus gekommen sind; denn sie sind gekommen, um das ganze Land zu erkunden. Aber die Frau nahm die beiden Männer und verbarg sie. Und sie sprach: Ja, es sind Männer zu mir hereingekommen, aber ich wusste nicht, woher sie waren. Und als man das Stadttor schließen wollte, da es finster wurde, gingen die Männer hinaus, und ich weiß nicht, wo sie hingegangen sind. Jagt ihnen eilends nach, dann werdet ihr sie ergreifen. Sie aber hatte sie auf das Dach steigen lassen und unter den Flachsstängeln versteckt, die sie auf dem Dach ausgebreitet hatte. Die Verfolger aber jagten ihnen nach auf dem Wege zum Jordan bis an die Furten, und man schloss das Tor zu, als sie draußen waren.
Und ehe die Männer sich schlafen legten, stieg Rahab zu ihnen hinauf auf das Dach und sprach zu ihnen: Ich weiß, dass der Herr euch das Land gegeben hat; denn ein Schrecken vor euch ist über uns gefallen, und alle Bewohner des Landes sind vor euch feige geworden. Denn wir haben gehört, wie der Herr das Wasser im Schilfmeer ausgetrocknet hat vor euch her, als ihr aus Ägypten zogt, und was ihr den beiden Königen der Amoriter, Sihon und Og, jenseits des Jordans getan habt, wie ihr an ihnen den Bann vollstreckt habt. Und seitdem wir das gehört haben, ist unser Herz verzagt und es wagt keiner mehr, vor euch zu atmen; denn der Herr, euer Gott, ist Gott oben im Himmel und unten auf Erden. So schwört mir nun bei dem Herrn, weil ich an euch Barmherzigkeit getan habe, dass auch ihr an meines Vaters Hause Barmherzigkeit tut, und gebt mir ein sicheres Zeichen, dass ihr leben lasst meinen Vater, meine Mutter, meine Brüder und meine Schwestern und alles, was sie haben, und uns vom Tode errettet. Die Männer sprachen zu ihr: Tun wir nicht Barmherzigkeit und Treue an dir, wenn uns der Herr das Land gibt, so wollen wir selbst des Todes sein, sofern du unsere Sache nicht verrätst.
Da ließ Rahab sie an einem Seil durchs Fenster hinab; denn ihr Haus war an der Stadtmauer, und sie wohnte an der Mauer. Und sie sprach zu ihnen: Geht auf das Gebirge, dass eure Verfolger euch nicht begegnen, und verbergt euch dort drei Tage, bis zurückkommen, die euch nachjagen; danach geht eures Weges. Die Männer aber sprachen zu ihr: So wollen wir den Eid einlösen, den du uns hast schwören lassen: Wenn wir ins Land kommen, so sollst du dies rote Seil in das Fenster knüpfen, durch das du uns herabgelassen hast, und zu dir ins Haus versammeln deinen Vater, deine Mutter, deine Brüder und deines Vaters ganzes Haus. So soll es sein: Wer zur Tür deines Hauses herausgeht, dessen Blut komme über sein Haupt, aber wir seien unschuldig; doch das Blut aller, die in deinem Hause bleiben, soll über unser Haupt kommen, wenn Hand an sie gelegt wird. Und wenn du etwas von dieser unserer Sache verrätst, so sind wir frei von dem Eid, den du uns hast schwören lassen. Sie sprach: Es sei, wie ihr sagt!, und ließ sie gehen. Und sie gingen weg. Und sie knüpfte das rote Seil ins Fenster.
Unerhört, könnte man sagen. Da kommen die Kundschafter Israels und sie quartieren sich bei einer Hure ein. Nun muss man zu ihrer und zu Rahabs Verteidigung vorbringen: Gastwirtin und Hure sind in der Übersetzung nicht so sauber zu trennen, so wie die beiden Berufe in der dieser Zeit auch nicht eindeutig zu unterscheiden waren. Aber sei’s drum. Rahabs Haus am Rande der Stadt an der Stadtmauer war ein Ort der Begegnung. Hier kamen Fremde an. Hierhin flohen Verfolgte. Und auch die Vertreter des Volkes Gottes waren hier Gäste. Und es hat schon etwas ironisches, dass die die glauben sollten, auf die Hilfe einer Fremden angewiesen sind. Gott gebraucht die Aussenseiterin als Werkzeug seines Heils. Und dort an der Mauer, in diesem Gasthaus, hätte wohl niemand mit einer Gottesfürchtigen Frau gerechnet. Aber sie ist da. Und das führt mir vor Augen: Gott ist vielleicht ganz oft an Orten wo ich nicht nach ihm suchen würde.
Gott ist in den Worten von völlig Fremden, die auf einmal eine Wahrheit aussprechen, die ich selbst vielleicht so nach gar nicht gesehen habe. „Ich weiß, dass der Herr euch das Land gegeben hat.“ Das ist ein starkes Bekenntnis aus dem Mund einer Nicht-Israelitin. Sie bekennt vor den Kundschaftern, dass Gott oben im Himmel und unten auf der Erde ist und spricht damit aus, was das Volk Israel auf seiner langen Reise durch die Wüste zuvor erst schmerzhaft lernen musste. Und sie zeigt damit auch: Der Glaube ist nicht an die Zugehörigkeit zum Volk gebunden, sondern an das unbedingte Vertrauen in den der Gott ist. Glaube beginnt da, wo jemand wie Rahab Gott zutraut, dass er größer ist als die eigenen Mauern. Und den Kundschaftern sind vermutlich alle Gesichtszüge entglitten, als sie diese Worte hörten. In diesem Haus am Rande der Stadt, von dieser Person mit zweifelhaftem Ruf. Und doch hören sie auf sie und lassen sich nicht von diesen Äußerlichkeiten abhalten.
Und sie vereinbarten mit ihr ein Zeichen. Das rote Seil, an dem Rahab sie aus der Stadt schmuggelt. Dieses Seil, dass ihnen das Leben rettet, es soll zum Lebensrettenden Zeichen für das ganze Haus von Rahab werden. Und natürlich erinnert es an das Passah Zeichen, das die Israeliten in Ägypten an ihre Türpfosten strichen. Aber es ist natürlich auch noch mehr. Das roteSeil es wird zum Band der Zugehörigkeit, das Rahab und Israel verbindet. Es überwindet das Denken von drinnen und draußen. Gottes Barmherzigkeit endet nicht an Mauern. Damit ist das rote Seil auch gleichzeitig der rote Faden, der sich bis ins neue Testament zieht. Gottes Barmherzigkeit gilt allen, die das Vertrauen wagen, was wir Glaube nennen. So überzieht dieser rote Faden die Geschichte als Zeichen dass Gott leben schenkt und Mauern überwindet wo Menschen dazu nicht im Stande sind.
Und die eigentliche Pointe steht ja außerhalb unseres Predigttextes. Da schlägt der rote Faden gewissermaßen Brücken. Denn Rahab und ihr ganzes Haus wird später im Josuabuch in Israel aufgenommen. Aber damit nicht genug, denn ich sagte ja, der Faden spinnt sich weiter.
Rahab ist im Matthäusevanglium Teil des Stammbaums Jesu. So wird aus Fremden Familie und aus einer Außenseiterin eine Ahnin des Glaubens. Und damit wird auch klar: Gott schreibt Heilsgeschichte mit Menschen, die er erwählt und nicht mit denen die mir gut in den Kram passen. Das erfordert natürlich eine gewisse Demut und die Einsicht, dass nicht ich sondern Gott entscheidet, wen er wie an welche Stelle setzt. Und ich muss die Augen offen halten, mich nicht blenden lassen von äußerlichkeiten, damit ich Gottes Wirken auch oder gerade in den Außenseitern auch erkennen kann.
Und trotzdem gibt es heute wie damals Mauern: Religion, Herkunft, die Art zu leben und zu lieben, die Sprache und die Moralvorstellungen. All das trennt uns auch heute noch oder vielleicht sogar besonders in der letzten Zeit. Die Geschichte von Rahab, sie zeigt uns: seht genau hin, erkennt die Mauern. Aber seht sie nicht als Trennlinien sondern als Kontaktflächen. Denn in einer idealen Welt, wäre unsere Kirche das Haus auf der Mauer. Offen nach innen und nach außen. Ein Ort der Zuflucht für Suchende. Dan ist Kirche ein Ort wo Menschen, die auf Gott vertrauen zu Geschwistern werden. Ganz egal von welcher Seite der Mauer sie kommen.
Und nun lasst uns gemeinsam mal schauen, wo wir das rote Seil raushängen. Als Zeichen der Grenzenüberwindenden Gnade unseres Herrn.
Amen
Gehalten am 12.10.2025 von Martin Olejnicki in St. Jakob Köthen
Pfarramt Hallesche Straße 15a, 06366 Köthen
Sie erreichen uns von Montag - Freitag 08:00 - 12:00 Uhr