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Der Sämann

Prolog: Der Sämann

Ich will das ja gar nicht. Aber ich merke, wie der Ärger in mir aufsteigt. So eine Verschwendung. Warum guckt der denn nicht mal richtig hin. Ok nichts ist Schlimmer als ein Städter der den leuten auf dem Land erklären will wie sie ihr Feld zu bestellen haben. Aber mal ehrlich. 

Weiß er es nicht besser?

Hat er einfach keine Lust?

So sieht er nicht aus. Er guckt gleichmütig aber nicht unkonzentriert unter seinem Hut. Die hochstehende Sonne wirft einen Schatten in sein Gesicht. Er greift immer wieder in den Sack mit dem Saatgut, den er umgehängt hat und wirft im hohen Bogen den Samen. Höchstens die Hälfte landet auf dem vorbereiteten Acker. Der Rest im Graben, auf dem Weg und im Gestrüpp der nahen Böschung. Jetzt reichts, jetzt halte ichs nicht mehr aus:

„Sagen Sie mal,“ rufe ich quer übers Feld, „wollen Sie nicht ein wenig sorgfältiger mit dem Samen umgehen?!“

„Was?!“ Er dreht sich zu mir um. 

„Naja, es geht so viel daneben. Wenn sie ein wenig weniger hoch werfen würden, würde vielleicht mehr auf dem guten Boden landen.“ 

„Achso.“ Er dreht sich wieder leicht weg und greift wieder in sein Saatgut-Säckchen. „Weißt du, ich werfe immer so, da verteilt sich das besser über das Feld. Da geht auch mal was daneben. Aber das ist gut für die Vögel…“

I Predigttext aus Lukas 8

4Eine große Volksmenge versammelte sich um Jesus, und aus allen Orten strömten die Leute zu ihm. Da erzählte er ihnen ein Gleichnis:5»Ein Bauer ging aufs Feld, um seine Saat auszusäen. Während er die Körner auswarf, fiel ein Teil davon auf den Weg. Die Körner wurden zertreten, und die Vögel pickten sie auf.6Ein anderer Teil fiel auf felsigen Boden. Die Körner gingen auf und vertrockneten schnell wieder, weil sie keine Feuchtigkeit hatten.7Ein weiterer Teil fiel zwischen die Disteln. Die Disteln gingen mit auf und erstickten die junge Saat.8Aber ein anderer Teil fiel auf guten Boden. Die Körner gingen auf und brachten hundertfachen Ertrag.« Dann rief Jesus noch: »Wer Ohren zum Hören hat, soll gut zuhören.«

II Schreckliches Gleichnis oder eine Frage der Perspektive

Martin Luther fand dieses Gleichnis übrigens ganz schrecklich. Weil nur ein Teil von vieren selig wird. Er lass es als Parabel dafür, wieviel im Glaubensleben schief gehen kann. Und Luther ist da in schon ganz in der Neuzeit angekommen. Wie oft erwische ich mich selbst dabei diesen defizitären Blick ganz in den Mittelpunkt zu rücken. Das veranschaulicht ganz gut, dieses Video von dem Mathematikprofessor, der in seiner Vorlesung 9 Aufgaben an der Tafel richtig vorrechnet und bei der letzten einen ganz offensichtlichen Fehler einbaut. Auf das Gekicher der Studenten, die den Fehler bemerkt haben, reagiert er in dem er erklärt: Sehen sie hier ist das Problem in unserer Welt. Sie beurteilen mich nicht nach den 9 Aufgaben die ich richtig gemacht habe, sondern nur nach der einen, die ich falsch machte. 

Als ich das das erste mal sah. Fühlte ich mich ertappt. Bin ich doch auch oft so, dass ich das berühmte Haar in der Suppe suche. So auch bei diesem Gleichnis. Natürlich könnte ich nur auf den Samen auf dem Weg, auf den Felsen oder unter den Dornen gucken und mir denken, was für eine Verschwendung. Mit diesem Fokus überlese ich dann vielleicht: 

„ein anderer Teil fiel auf guten Boden. Die Körner gingen aufund brachten hundertfachen Ertrag.“ Die Körner mit den besten Voraussetzungen gleichen die anderen offensichtlich mehr als aus. 

Gut, so etwas zählt in einer von Controllern beherrschten Zeit nicht ganz so viel. Das Mantra der Effizienz verbietet sich auf diesem Gedanken auszuruhen. Denn da ist ja noch mehr rauszuholen…

Und doch gefällt mir der Gedanke, des eingangs beschriebenen Sämanns: Was daneben fällt ist gut für die Vögel.

Da ist eben noch mehr als nur die Perspektive des landwirtschaftlichen Ökonomen. 

Was auf den Weg fällt, ernährt die Vögel und lässt sie im Sommer für mich singen. 

Was auf den Felsen fällt, es geht trotzdem auf. Es vertrocknet, weil es zu wenig Wasser hat. Vielleicht muss ich mich da besonders drum kümmern.

Was unter die Dornen fällt wird von ihnen erstickt. Aber die Dornen wachsen auch…

Ab und zu lohnt es sich die Dinge auch mal aus einer anderen Sicht zu betrachten.

III Perlen vor die Säue – meine Saat

Und doch geht es mir ganz oft so, dass ich denke: „das ist gerade Perlen vor die Säue“. Ein ziemlich garstiger Gedanke. Denn er spricht den „Säuen“ gänzlich ab, sich an der Schönheit und dem Wert der Perlen zu erfreuen. Ich schwinge mich dazu auf, zu beurteilen, was verschwendet ist und was sich lohnt. Dabei lohnt es sich doch oft nur für mich. 

Und wie geht es dir? Wie oft hast du in der letzten Woche etwas getan, von dem du insgeheim dachtest: „das ist doch Zeitverschwendung“ oder „das ist Perlen vor die Säue“. Vielleicht eine Diskussion um die Realität der Gefahr des Virus. 

Oder ein flammendes Plädoyer für den Glauben gegenüber einem Skeptiker. 

Dann geht man frustriert auseinander. Aber eigentlich weiß ich hinterher nicht, ob nicht doch eines meiner Worte etwas verändert hat. Oder ob es vielleicht doch in sein oder ihr Herz vorgedrungen ist. 

 

IV Hoffnung – ein barmherziger Gedanke

Die Wahrheit ist: ich habe es meistens gar nicht in der Hand. Oder besser gesagt. Ich habe es nicht bis zum Schluss in der Hand. So ist das eben mit dem Säen. An einem bestimmten Punkt muss man dann doch loslassen. Sonst fällt der Samen nicht dahin, wo er hin soll. Und diesen Gedanken finde ich ziemlich barmherzig. Es liegt nicht allein an mir. 

Egal wie sehr ich mich anstrenge. Wie engagiert ich argumentiere. Wie überzeugend ich rede. Den letzten und Entscheidenden Funken gibt Gott dazu. 

Epilog

Ich muss wohl ziemlich blöd dreingeschaut haben. Jedenfalls kommt er jetzt auf mich zu. „Willst du es auch mal probieren?“ 

„äääh, naja…“ Aber da hat er mir den Saatgutbeutel schon umgehängt. 

„So und jetzt probier mal. Mit viel Schwung aus dem ganzen Arm und dann lass es fliegen.“

Ich greife in den Beutel. Ein tolles Gefühl, all die kleinen Körnchen. Und jedes einzelne mit all seinem Potenzial eine große Pflanze zu werden. Ich nehme eine große Hand voll und hole Schwung und lasse sie fliegen. „Du machst das ziemlich gut“ er nickt mir zufrieden zu. 

Stimmt auffällig, die letzten Körnchen fallen gerade zu Boden. Einiges landet auf dem Weg. Anderes im Graben. Und manches fällt ins Gestrüpp. Aber einiges landet auch genau da, wo ich es haben wollte. 

„Gott wird wachsen lassen.“ sagt er mit fester Stimme. „komm weiter.“ Wir gehen ein Stück. zusammen und lassen das gesäte voll Vertrauen hinter uns.

Gehalten von Pfarrer Martin Olejnicki am 7.2.2021 in St. Agnus

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