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„Wir gehen hinauf nach Jerusalem“ (EG.E 3)

1.) Wir gehen hinauf nach Jerusalem

in leidender Liebe Zeiten

und sehen, wie einer für alle stirbt,

um uns einen Platz zu bereiten.

2.) Wir gehen hinauf nach Jerusalem.

Wer will bei dem Herren bleiben

und kosten von einem so bitteren Kelch?

Die Angst soll uns nicht von ihm treiben.

3.) Wir gehen hinauf nach Jerusalem, 

das Opfer der Welt zu sehen,

zu spüren, wie unsere Not vergeht, 

und unter dem Kreuze zu stehen.

4.) Wir gehen hinauf nach Jerusalem

zur Stätte der ewgen Klarheit.

Wo Leiden und Ohnmacht in unserer Welt,

da finden wir Christus in Wahrheit.

Der Weg nach Jerusalem ist steil. Pilger auf ihrer Wanderung wissen das. Da sind einige Höhenmeter zu bewältigen! 

Fast eine Oktave steigt die Melodie dieses Liedes an. Dann sackt sie abrupt ab, als sei dem Wandernden das Herz in die Hose gerutscht. In einem neuen Anlauf fasst die Stimme wieder Tritt und erreicht die volle Oktave. Jedoch bleibt sie nicht lange in dieser Höhe. Auf und Ab führt die Melodie, bis sie am Ende in einer mittleren Tonlage ankommt und verweilt.   

Ein leichter Weg ist das sicher nicht, wenn Jesus sagt: „Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird alles vollendet werden, was geschrieben ist durch die Propheten von dem Menschensohn.“ (Lukas 18,31 - Wochenspruch zum Sonntag Estomihi). Jesus weiß, was ihn dort in Jerusalem erwartet. Seine Jünger wissen es nicht, noch nicht. Und so gehen sie mutig und erwartungsvoll: die Verheißungen der Propheten werden sich dort erfüllen! Zwei Takte mit regelmäßigen Viertelnoten lassen einen forschen Wanderschritt erahnen. Dann aber wird der Schritt zögerlich - sind das wirklich alles Verheißungen, was die Propheten da aufgeschrieben haben? Gibt es nicht auch die Leidensweissagungen? 

Dieses neue Wochenlied für den Sonntag Estomihi (der Sonntag vor der Passionszeit) nimmt uns mit auf den Weg nach Jerusalem. Im Gegensatz zu den Jüngern wissen wir, was dort geschehen wird. Wir wissen um Kreuz und Leid Jesu. „Wer will bei dem Herren bleiben und kosten von einem so bitteren Kelch?“ fragt das Lied und antwortet umgehend: „Die Angst soll uns nicht von ihm treiben.“ Denn dass dies ein sinnvoller Weg ist, dass Jesu Weg nach Jerusalem ein notwendiger und die Noten wendender Weg ist, das steht außer Frage: „Wo Leiden und Ohnmacht in unser Welt (ist), da finden wir Christus in Wahrheit.“

Aus dem schwedischen Gesangbuch stammt dieses neue Wochenlied (Se, vi går upp till Jerusalem, Psalmbok 59) - auch im finnischen Gesangbuch ist es zu finden (Käykäämme nyt Jerusalemiin, Virsikirja 54). Schön, dass uns dieses Lied mit den Gemeinden in Finnland verbindet und es sich auch in drei Sprachen singen lässt, wenn die Gottesdienstsituation das nahelegt! Der Text stammt aus dem Jahr 1906 und ist verfasst worden von Lars Johan Paulinus "Paul" Nilsson (1866 - 1951), einem religiösen Dichter und Pfarrer. Nilsson hat den Text auf eine vorhandene Melodie geschrieben, auf eine alte nordische Volksweise (1627 zum ersten Mal belegt). Text und Melodie gehen so miteinander, als wären sie zusammen komponiert worden. 1937 wird das Lied in das schwedische Gesangbuch aufgenommen. Karl-Ludwig Voss (1940 - 2018) lernt das Lied kennen, als er in den 1960er Jahren Auslandspfarrer in Helsingborg ist. Er überträgt den Text in’s Deutsche, behutsam und feinfühlig, so dass die innige Verbindung von Melodie und Text erhalten bleibt. Inhaltlich aber aktualisiert er den Text und vermeidet einige theologische Zuspitzungen, die 1906 noch verständlich, in den 1960er Jahren aber fragwürdig geworden waren (auch die finnische Fassung von 1951 ist 1986 noch einmal von Anna-Maija Raittila neu übersetzt worden). 

Als ich das Lied zum ersten Mal in einem Gottesdienst gehört habe, da hatte die Melodie fast etwas Archaisches: ganz sparsam von der Orgel begleitet und in langen Melodiebögen geführt (im schwedischen und finnischen Gesangbuch ist das Lied im 6/4 Takt notiert). Inzwischen habe ich das Lied aber auch in einem Gottesdienst von einer Band begleitet, auf YouTube von einem Chor gesungen und bei einem Konzert von einer Jazz-Sängerin interpretiert gehört. Und ich bin beeindruckt, wie wandlungsfähig und spannend diese Melodie ist. 

Und der Text? Der ist für mich eine durch und durch gelungene Predigt zum Wochenspruch des Sonntags Estomihi und zudem eine feinsinnige Umsetzung des Gedichtes „Christen und Heiden“ von Dietrich Bonhoeffer: 

CHRISTEN UND HEIDEN

Menschen gehen zu Gott in ihrer Not,
flehen um Hilfe, bitten um Glück und Brot
um Errettung aus Krankheit, Schuld und Tod.
So tun sie alle, alle, Christen und Heiden.


Menschen gehen zu Gott in Seiner Not,
finden ihn arm, geschmäht, ohne Obdach und Brot,
sehen ihn verschlungen von Sünde, Schwachheit und Tod.
Christen stehen bei Gott in Seinen Leiden.


Gott geht zu allen Menschen in ihrer Not,
sättigt den Leib und die Seele mit Seinem Brot,

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