Hier finden Sie Ankündigungen zu den nächsten kirchenmusikalischen Konzerten in St. Agnus und St. Jakob.
Am 20.Mai 2022 um 19.30 Uhr in der St. Jakobskirche Köthen
… UNTER DER KOMMUNION FIGURIRT…
Wie in anderen Hansestädten auch, waren in Hamburg und Lübeck die
Ratsmusikanten zur Mitwirkung in den Gottesdiensten verpflichtet. Dies trifft auch auf
die Lübecker Marienkirche zur Amtszeit Dieterich Buxtehudes zu. Insbesondere
unter der Communion wurde ihr Musizieren benötigt. Im Bericht zur Kirchen-
Visitation in Stade im Jahre 1692 wird festgehalten: „Wann eine große Communion
vorhanden, sollte billig dem Cantori ein Sublevationem [Erleichterung] gegeben
werden, daß ein jeglicher Organist an seinem ort eine feine motet dazwischen spiele,
oder sonst nach Begebenheit ein Concert vel sola voce, oder mit einer Violin machte,
damit auf allerlei Weise dem lieben Gott gedienet und eine Andacht erwecket werde.“
Die vielen Hinweise zur Musik zum Abendmahl in norddeutschen Kirchen
dokumentieren eine musikalische Praxis, die von den Organisten in kleinen
Besetzungen ausgeführt wurde. Dabei wurden die beschränkten Platzverhältnisse
unmittelbar neben den Orgel-Spieltischen berücksichtigt. Da die größeren Kirchen
(wie z.B. St. Marien und St. Jacobi in Lübeck) neben der Hauptorgel noch über eine
weitere Orgel in der Nähe des Chorraumes verfügten, in dem das Abendmahl
ausgeteilt wurde, konnte diese unter akustisch günstigen Bedingungen eingesetzt
werden. Auch die Leipziger Thomaskirche verfügte einst über eine solche
(zusätzliche) Chororgel in luftiger Höhe über der heutigen Grablege Bachs.
Für St. Jacobi in Hamburg belegen die Ausgabenverzeichnisse von 1684 bis April
1687 Zahlungen „an Christoffer Hartwich, do alle 14 Tage unter der Communion mit
der viola di Gamba auf der Orgel aufgewartet.“ Von Dezember 1687 bis Dezember
1690 gehen die Zahlungen für diese Tätigkeit an „den viola di Gambisten“. Hartwich,
der ein Freund des berühmten Hamburger Instrumentenbauers Joachim Tielke war,
gehörte zu den Hamburger Ratsmusikanten und wurde für gleichartige Dienste auch
in der Hamburger Katharinenkirche und im Dom separat bezahlt.
Daß die Musica instrumentalis sub communione bevorzugt im Zusammenwirken von
Viola da gamba und Orgel ausgeführt wurde, ist im theologischen Symbolverständnis
der Zeit begründet: Die Viola da gamba als gebundenes Instrument wurde als
Sinnbild des gebundenen und leidenden Christus’ verstanden. (Deshalb setzen noch
Johann Sebastian Bach und seine Zeitgenossen in den Passionsoratorien das
Soloinstrument Viola da gamba gezielt zur Darstellung der Leiden und des Sterbens
Christi ein.) Wie eine detaillierte Beschreibung des Abendmahlsverständnisses in der
Schrift Himmlisches Freuden-Mahl von Johann Rittmeyer (Helmstedt, 1713) festhält,
sollte die Musica sub communione gezielt den Rahmen der mitteltönigen Stimmung
mit acht reinen Großterzen überschreiten und die dissonant klingenden Töne dis, ais
und eis benutzen, um so das Bedenken der Leiden Christi durch die wartenden
Gläubigen mit musikalischen Mitteln zu vertiefen.
Genau diese dissonanten Töne sind auch in Buxtehudes Sonata ex d BuxWV Anh. 5
enthalten, die erst dreieinhalb Jahrhunderte nach ihrer Entstehung im Rahmen der
Lübecker Buxtehude-Tage 2018 ihre moderne Erstaufführung durch Thomas Fritzsch
und Harald Vogel fand. Überliefert wurde diese Sonata, in der Buxtehude eine
Triosonate des Wiener Hofkomponisten Antonio Bertali für Violine, Viola da gamba
und Basso continuo für die neue Besetzung adaptierte, durch eine Abschrift des
Dresdner Organisten und Maskenbildners Emanuel Benisch (1649-1725).
Auch Buxtehudes Sonata und Ciaconna ex d für Viola da gamba und Basso dürfen
dieser Praxis des sub-communione-Musizierens zugerechnet werden, und die
Virtuosität des Gambenparts belegt eindrücklich, daß Buxtehude Gambisten zur
Verfügung standen, die seiner Meisterschaft auf Augenhöhe begegneten. Georg
Philipp Telemanns e-Moll-Sonata entstammt seiner 1739/1740 im Hamburger
Eigenverlag herausgegebenen Sammlung Essercizii musici. Telemanns Ideal eines
cantablen Instrumentalspiels erfährt im dritten Satz eine bemerkenswerte
Überhöhung: In einem Recitativo mit anschließendem Arioso übertr.gt Telemann der
Viola da gamba explicit die Gesangsstimme – ein Lied ohne Worte. Mit Carl Friedrich
Abels Komposition für Viola da gamba solo senza Basso erklingt Musik eines Bach-
Schülers und Sohnes der Stadt Köthen, der gemeinsam mit Bachs jüngstem Sohn
Johann Christian von London aus die europäische Musikgeschichte der zweiten
Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierte.
Die heute von Thomas Fritzsch gespielte Viola da gamba aus dem Jahre 1709
erklang einst unter den Händen Joseph Fialas, der 1792 von Johann Friederich
Reichardt “der beste noch lebende Gambist” genannt wurde. Fiala zählte zu den
engsten Freunden Wolfgang Amadé Mozarts und lebte in der gemeinsamen
Salzburger Zeit im Mozart-Geburtshaus in der Getreidegasse 9. Mit Sicherheit wird
diese Viola da gamba Mozart begegnet sein.
Th. Fritzsch
BIOGRAPHISCHES
Thomas Fritzsch, „wohl einer der derzeit bedeutendsten Gambisten weltweit“
(Musica Sacra 04/2017), musiziert in den europäischen Konzertsälen ebenso wie auf
den Podien der Metropolen New York, Boston, Tokio, Seoul, Abu Dhabi, Dubai,
Havanna, Hongkong, Shanghai und Jerusalem. Robert Marshall lobte ihn als den
Casals der Gambe. Mit Leidenschaft und brillantem historischem Wissen sucht und
entdeckt Thomas Fritzsch verschollene und vergessene Werke der Gambenliteratur,
die er stets erstaufführt, ediert und in Weltersteinspielungen vorlegt. Zu seinen
spektakulärsten Funden zählen dabei Carl Friedrich Abels 2nd Pembroke Collection
und dessen Gambenkonzerte in A-Dur und G-Dur, Abels Ledenburg-Sonaten,
Sonaten Johann Christian Bachs und dessen für Abel geschriebener Quartett-Zyklus
Opus 8.
Weltweites Aufsehen in der Musikwelt erzielte Thomas Fritzsch 2016 mit der
Wiederentdeckung und Erstaufführung der verschollen geglaubten 12 Fantaisies
pour la Basse de Violle von Georg Philipp Telemann. Für diese Welt-Ersteinspielung
des Jahres wurde Thomas Fritzsch mit dem ECHO KLASSIK 2017 ausgezeichnet.
Für die Ersteinspielung einer bislang unbeachteten Komposition Buxtehudes für
Viola da gamba und Orgel wurden Thomas Fritzsch und Harald Vogel (Orgel) 2019
mit einem Choc de Classica geehrt.
Mit dem Album The 19th-Century Viol öffnete Thomas Fritzsch als erster Gambist
weltweit das Tor zur Solomusik für Gambe im Zeitalter der Romantik. Mit seinem
jüngsten Album, der Wiederentdeckung des Deutschen Kinder-Liederbuches von
Adelheid Wette und Engelbert Humperdinck, rief Thomas Fritzsch euphorische
Reaktionen hervor: „Ich wünsche diesem Kunstwerk eine massenhafte Verbreitung.
Es gehört in jeden Haushalt!“ (jpc) Als internationaler Werbeträger für die Musik von
Bach und Abel wurde Thomas Fritzsch 2014 zum Kulturbotschafter der Bach-Abel-
Stadt Köthen ernannt und 2017 zum Sonderbotschafter des Burgenlandkreises
berufen.
"Ullrich Böhme ist einer der wirkungsmächtigsten Organisten unserer Zeit. … Die
einzigartige Verbindung von menschlicher Demut und künstlerischer Grandezza
prägt sein Spiel bis in den letzten Ton. Dieser Organist verschwindet als Person
hinter der Musik, in die er gleichermaßen skrupulös wie virtuos eintaucht. Seine
Finger, seine Fü.e suchen nicht nach Effekten, sondern nach Tiefe, nach Substanz,
nach Wahrhaftigkeit." (8. April 2016, Leipziger Volkszeitung, Peter Korfmacher)
Ullrich Böhme wurde im sächsischen Vogtland geboren. Die wertvolle Barockorgel
seines Heimatortes Rothenkirchen, an der er bereits dreizehnjährig den
Organistendienst versah, weckte in ihm Begeisterung für die „Königin der
Instrumente“. Deshalb studierte er von 1972 bis 1979 an der Kirchenmusikschule
Dresden bei Hans Otto und an der Leipziger Hochschule für Musik bei Wolfgang
Schetelich. Im Bachjahr 1985 wurde Ullrich Böhme unter vielen Bewerbern zum
Leipziger Thomasorganisten gewählt. Seitdem ist das solistische Orgelspiel in der
Thomaskirche zu Gottesdiensten, Konzerten und Motetten des Thomanerchores
Leipzig sowie das Basso-continuo-Spiel zu Kantaten, Oratorien und Passionen seine
wichtigste Aufgabe. Darüber hinaus führen ihn Konzertreisen regelmäßig in viele
Länder Europas, nach Nordamerika und nach Japan. Ullrich Böhme wird in Jurys
bedeutender internationaler Orgelwettbewerbe eingeladen und erhielt 1989 den
Kritikerpreis der Leipziger Kulturjournalisten. Er gab den Anstoß zur Restaurierung
der großen Sauer-Orgel der Thomaskirche und entwarf das Konzept der neuen
Bach-Orgel der Thomaskirche (Einweihung im Bachjahr 2000). Ullrich Böhme
unterrichtet an der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy”
Leipzig und gibt Interpretationskurse im In- und Ausland. 1994 wurde er zum
Professor ernannt. Beim bedeutendsten Multimedia- Projekt des Bach-Jahres 2000
„24 hours Bach“ spielte er das Eröffnungskonzert, das live über TV-Stationen und
Internet in alle Welt übertragen wurde.
Am 10. Juni ist die bekannte Band in der St. Jakobskirche zu erleben.
Pfarramt Hallesche Straße 15a, 06366 Köthen
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